Kalrath, 26. Februar 1945
Code Name “ Marge “
Der Angriff auf Kalrath begann um 20:30 Uhr parallel zur Rödinger Straße. Hier rückte die Company G des 120th Infantery Regiment der 30th US Infantry Division in Richtung Friedhof vor. Die deutschen Verteidiger, die 1036. Grenadierdivision, hatten sich in aller Eile vor dem Friedhof und auf der gegenüberliegenden Seite an der Bedburger Straße eingegraben und jeweils eine Maschinengewehrstellung aufgebaut. Im Ort selber standen Panzer der 11. Panzerdivision von Generalleutnant Wend von Wietersheim zur Verteidigung bereit.
Generalleutnant Wend von Wietersheim - Amerikanische Karte zum Angriff - Angetretene deutsche Soldaten in Kalrath
S/Sgt David O. Shepherd von der Company H näherte sich mit seinen Männern der Maschinengewehrstellung am Friedhof und geriet in einen Kugelhagel des deutschen Maschinengewehres, wodurch ein in der Gruppe befindlicher Bazookaschütze die Nerven verlor und nicht mehr wusste, wie er mit seiner Waffe umzugehen hatte. S/Sgt. Shepherd übernahm die Bazooka und kroch mit dieser bis auf 20m an die deutsche Maschinengewehrstellung heran und feuerte zwei gezielte Schüsse in die Stellung. Es folgte ein Beschuss mit weißen Phosphor-Gewehrgranaten, die das deutsche Maschinengewehr endgültig zum Schweigen brachte. Das erste Haus in Kalrath konnte unter sporadischem Granatwerferbeschuss kurz vor 21:00 Uhr eingenommen werden. Auf der Rödinger Straße entdeckten Sgt.Darrel E. Fuller und Pfc. Carl V. Ivey ein deutsches Sturmgeschütz und beschossen den Motor mit Phosphor-Gewehrgranaten. Der Motor stand in Flammen, diese wurden durch den noch laufenden Motor angesaugt und zwangen die Besatzung auszubooten. Währenddessen durchsuchte die Company G bereits die Häuser entlang der Rödinger Straße in Richtung Kreuzung, eine weitere Gruppe stand am Ende der Straße im Schutz der Bäume bereit um weitere Häuser zu durchsuchen. Company H war in dieser Zeit damit beschäftigt die zweite, links von der Hauptstraße, befindliche deutsche MG Stellung auszuschalten. Hierzu hatten sich Sgt.Charles R. Perkins und Cpl.John D. Rill westlich der Straße von Rödingen eingegraben. Als das deutsche MG Nest ausgeschaltet war, begann eine Mannschaft damit, die umliegenden Häuser zu durchsuchen und nahm dabei 13 deutsche Soldaten gefangen. Eine Straßensperre am westlichen Ortsausgang wurde gerade eingerichtet, als ein massiver Beschuss durch deutsche Artillerie begann. Ein deutscher Panzer stand plötzlich auf der Kreuzung Kastanienweg-Rödinger Straße und schoss in Richtung des nördlichen Ortsausganges von Kalrath. Die dort befindliche Company H, sie sollte die Häuser an der Lommerzheimer Straße durchsuchen, brach in Panik aus. Sie liefen zum Teil kopflos in der Dunkelheit herum. Der deutsche Panzer flüchtete währenddessen über die Kalrather Straße in Richtung Grottenherten. T/Sgt. Grover C. Cox von der Company H baute umgehend mit seinen Männern eine Straßensperre am nördlichen Ortsausgang, um gegebenenfalls für einen weiteren Panzerangriff aus nördlicher Richtung vorbereitet zu sein. Um 22:40 Uhr befand sich der gesamte Ort in amerikanischer Hand. Von Norden her begannen amerikanische Pioniere damit, die verminte Lommerzheimer Straße zu räumen. Als die Straße von den Pionieren frei gegeben wurde, ereignete sich auf der als geräumt angegeben Lommerzheimer Straße ein Unfall durch eine scheinbar übersehene Mine. Nach einer weiteren Überprüfung durch manuelle Hilfsmittel, stellten die Pioniere fest, dass die Deutschen hier Minen aus Glas verlegt hatten, die von den Minensuchgeräten nicht geortet werden konnten. Sgt. Rother P. Morrow sah etwa 300 m entfernt von der Unfallstelle einen unbenutzten Jeep stehen, holte diesen und brachte damit den Verletzten zur Erste Hilfe Station in Rödingen.
Zwischenzeitlich traf ein englischer Minenräumpanzer ein und brachte alle noch vorhandenen Minen auf der Lommerzheimer Straße zur Explosion. Um 01:00 Uhr brach die Company E in Richtung Grottenherten auf. Ziel war es, die Häuser am südwestlichen Ende der Mühlenstraße für einen Angriff auf Grottenherten auszukundschaften.
Josef Bergheim, Unteroffizier einer Granatwerferkompanie, berichtet über die Kämpfe bei Kalrath:
Am 26.2.1945 erhielt ich als Unteroffizier einer Granatwerferkompanie den Befehl, nach Kalrath, das den ganzen Tag unter Beschuss gelegen hatte, zurückzugehen. Im Schultenhof wurde der Gefechtsstand aufgebaut. Ein Mann brachte mir von Kirchherten noch einen Leiterwagen mit 20 Granaten. Mit 14 Mann und 3 MGs warteten wir auf den nächsten Befehl, der um 19 Uhr bei Dunkelheit eintraf. Beim Verlesen des Befehls gegen 20.15 Uhr im Keller von Schulten vernahm ich MP-Schießen. Weil sie sich nicht ergeben wollten, versuchte ich mit meinen Leuten durch die Kellerfenster zu entfliehen. Diese waren leider gesichert. Da es den Amerikanern zu lange dauerte, ehe jemand aus dem Keller kam, warfen sie eine Handgranate die Kellertreppe hinunter. Wir wurden in gebrochenem Deutsch aufgefordert, schnell herauszukommen und zusätzlich durch Tränengas kampfunfähig gemacht. Auf dem Innenhof mussten wir uns alle ganz entkleiden und dabei alle Wertsachen abgeben. Ein fanatischer Amerikaner wollte mir den Ringfinger abschießen, um an den Ehering zu kommen, wurde aber durch einen anderen daran gehindert. Ein Verwundeter wurde mit dem Sanitäter seiner Truppe in einem gepanzerten Fahrzeug abtransportiert. Alle anderen durften in ihren eigenen Sachen auf einen LKW steigen und wurden in das Haus von Tierarzt Dahmen, Rödingen, einem Gefechtsstand der Amis, und von dort am 27.2. nach Lich in die Kirche, in das Sammellager gebracht.
Kalrath, Lommertzheimerstrasse - Deutsche MG-Nester bei Kalrath
Laufgraben mit MG links und rechts von Kalrath
Und Josef Haarhoff berichtet weiter: Ich erhielt den Befehl, meinen Zug nach Kalrath zurückzuführen. Dort sollte ich mit den Resten des Battailons eine Ortsverteidigung in einem schon vorbereiteten Grabensystem einrichten. Um 10.30 Uhr führte ich zusammen mit Leutnant Nockemann, jeder mit einem Zug, auf Befehl des Btl.-Fhrs. mit Unterstützung von 6 Panzern einen Gegenstoß auf Ameln an. Vergeblich! Wir gelangten mit 4 Verwundeten in den ersten vorbereiteten Graben vor Kalrath und brachten diese in den Keller der Schule, in der sich ein eingerichteter Verbandsplatz befand. Nachdem die Amerikaner Nebelgranaten abgefeuert hatten und schwere Artillerie ihnen Feuerschutz gab, bezogen wir im zweiten Graben vor Kalrath Stellung, wo wir 2 Stunden lang von Granaten schweren Kalibers beschossen wurden. Ich schäme mich nicht, dass ich die Mutter Gottes um Schutz angefleht habe, als ich durch die Erschütterungen einschlagender Granaten im Graben hin- und hergeworfen wurde. Nach plötzlich eintretender Ruhe sah ich amerikanische Panzer in geringster Entfernung an mir vorbeiziehen, ohne das geringste Panzerabwehrmittel zur Verfügung zu haben. Ich beobachtete amerikanische Infanterie, die von hinten in das Dorf eindrang und es nach kurzem Häuserkampf mit den wenigen deutschen Soldaten, besetzte. Nach Berichten einzelner, aus Kalrath auf meine Truppe stoßender Soldaten, hätten Amerikaner Nebelhandgranaten in den Keller der Schule geworfen und herauskommende Verwundete mit Maschinenpistolen beschossen, sie dabei verwundet bzw. getötet. Angeblich seien einige Amerikaner betrunken gewesen. Im Schein einer brennenden Strohmiete gelangten wir zu zwei deutschen Tigerpanzern, ein dritter Tiger kam hinzu und wir setzten uns zusammen mit den Panzern in Richtung Kirchherten ab. In einem vorbereiteten Schützengraben befanden sich 30 Mann, zusammen mit einer Bewaffnung von 6 Maschinengewehren und einigen Maschinenpistolen. Im hellen Mondschein erblickten wir eine große Gruppe Amerikaner in auseinandergezogener Formation ohne Panzerbegleitung von Kalrath herankommen. Ich eröffnete mit meinen Kameraden das Feuer auf die Amerikaner, die den Rückzug vornahmen. In einem gewölbten Kirchhertener Keller befanden sich zu dieser Zeit Ordensschwestern, alte Männer, Frauen und Kinder, die die Soldaten darum baten, den Ort nicht zu verteidigen.
Angetretene amerikanische Soldaten in Kalrath
Heute noch erkennbare Einschusslöcher eines MG's auf dem Grabstein